„Liebe“

„Liebe“

„Liebe“

  24.04.15, 08.00 Uhr, Frankfurt auf der Fahrt in mein Büro Die Frage, die mich gerade beschäftigt, lautet: Was ist Liebe? Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach, aber ich möchte hier gerne versuchen zu beschreiben, wo ich persönlich bei der Beantwortung...

 

24.04.15, 08.00 Uhr, Frankfurt auf der Fahrt in mein Büro

Die Frage, die mich gerade beschäftigt, lautet: Was ist Liebe? Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach, aber ich möchte hier gerne versuchen zu beschreiben, wo ich persönlich bei der Beantwortung dieser Frage stehe.

Eines der wichtigsten Keywords unserer Zeit

Ich denke schon, dass „Liebe“ einer der zentralen Begriffe in unserer Gesellschaft ist; in der Wissenschaft, in der Kunst, in der Poesie, in der Musik und natürlich im Leben von jedem Menschen ganz persönlich.

Liebe ist in meinen Augen da oder ist sie nicht da. Liebe wird oft verbunden mit Enttäuschung und Schmerz, Verletzung, unerfüllten Sehnsüchten, Bedürfnissen und Träumen. Was ist Liebe?

Was ist Liebe für mich persönlich?

Für mich hat sich über die Jahre folgendes Verständnis entwickelt und ich unterscheide dabei zwei verschiedene Qualitäten der Liebe: Die eine Qualität der Liebe ist, in tiefer innerer Verbundenheit mit einem anderen Menschen zu sein. Aber auch in tiefer innerer Verbundenheit mit einer Sache, einer Tätigkeit, mit einer Aufgabe oder einer Vision zu sein. Und neben dieser tiefen Verbundenheit ist da, was ganz wichtig und wertvoll für diese Liebe ist, ein ganz, ganz starkes und tiefes „Ja“ dem anderen Menschen, der Sache oder der Tätigkeit gegenüber vorhanden. Ein „Ja“, das verbunden ist mit hoher Wertschätzung, Respekt und vor allen Dingen auch Dankbarkeit für das, was der andere Mensch ist und mir gibt. Und natürlich auch für das, was mir eine Sache oder eine Tätigkeit für mein Leben beiträgt.

Wie ein Grundstoff dieses Lebens

Liebe ist für mich also zum einen die ehrliche, respektvolle, wertschätzende, bejahende, tiefe Verbundenheit mit einem anderen Menschen, in Dankbarkeit für diesen Menschen und für das, was wir in unserem täglichen Leben miteinander teilen und erleben. Und dasselbe gilt auch für die Beziehung zu einer Sache, einer Tätigkeit oder eine Vision.

Liebe ist nach diesem Verständnis durchaus wie ein Grundstoff des Lebens, der für jeden verfügbar ist. Und der unser Leben mit einer ganz speziellen Qualität erfüllen würde, wenn wir gemeinsam in unserem Leben anderen Menschen, Tätigkeiten und Dingen mit dieser Liebe begegnen würden. Unser Leben allgemein wäre dann erfüllt mit tiefer Verbundenheit, einem tiefen Ja und einer tiefen Dankbarkeit.

Körperliche Liebe hat eine andere Qualität

Natürlich gibt es dann noch eine andere Qualität von Liebe, die Liebe also, die sich zwischen zwei Menschen entwickelt, die in einer intimen Liebesbeziehung miteinander leben. Diese Liebe fühlt sich anders an als die Liebe, von der ich gerade im Sinne eines Grundstoffes des Lebens gesprochen habe. Diese Liebe entwickelt sich in der intensiven Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann oder auch zwischen Mann und Mann und Frau und Frau.

Dies Liebe ist ein starkes Gefühl, das mit einer intensiven inneren aber auch äußeren Erregung einhergeht. Eine Liebe, die auch diesen körperlichen Aspekt mit einbezieht, nämlich die körperliche Anziehung, das gegenseitig Begehren; den Wunsch, zu berühren und berührt zu werden. Den Wunsch, zu küssen, in den Armen zu halten und gehalten zu werden. Und dann ist mit dieser Liebe natürlich auch der gleichzeitige Wunsch nach Sexualität, nach sexueller Begegnung, nach sexueller Erregung und Befriedigung verbunden.

Verliebtheit hat ein eigenes Gesicht 

Und bei dieser Liebe sprechen wir am Anfang der Beziehung oft von Verliebtheit und da sagen ja auch viele Menschen, dass Verliebtheit ein anderes Gefühl, eine andere Qualität ist, als die Liebe, die dann in der vertrauten, länger währenden Beziehung zwischen zwei Menschen entsteht.

Ja, ich glaube auch, dass es da einen Unterschied zwischen der Liebe in einer guten, länger bestehenden Beziehung und der Verliebtheit am Anfang der Beziehung gibt. Obwohl ich auch von einigen Menschen gehört habe, dass sie auch nach vielen Beziehungsjahren immer noch so ineinander verliebt waren wie am ersten Tag. Das heißt, dass sie also auch nach vielen Jahren immer noch diese Verliebtheit der ersten Tage gespürt haben.

Dieses besondere Gefühl bleibt nicht immer gleich

Aber oft verändert sich die Liebe in einer Beziehung im Laufe der Zeit. Entweder sie verschwindet ganz oder sie bekommt in einer vertrauten, innigen und partnerschaftlichen Beziehung eine Qualität ähnlich der Liebe, die ich oben im Sinne eines Grundstoffes des Lebens beschrieben habe: Liebe also als tiefe Verbundenheit, Respekt, Wertschätzung, Bejahung und Dankbarkeit.

Aus Verliebtheit wird nicht selten Liebe

Die Verliebtheit am Anfang der Beziehung ist, so erleben es, glaube ich, viele von uns, intensiver, ist noch erregender und prickelnder. Da ist auch der Moment des Neuen, der Moment der Illusion, der rosaroten Brille, durch die wir alles positiv sehen. Da ist diese Euphorie, die entsteht, weil wir am Anfang noch glauben, den Menschen getroffen zu haben, der allen unseren idealen Vorstellungen eines Traumprinzen oder einer Traumprinzessin entspricht. Das euphorisiert uns natürlich sehr stark.

Nichtsdestotrotz bleibt natürlich, wenn die Verliebtheit vorbei ist und Liebe stärker in der schon von mir genannten Qualität von tiefer Verbundenheit, tiefer Wertschätzung und Dankbarkeit auftaucht, nichtsdestotrotz bleibt dann in einer Zweierbeziehung noch die erotische Qualität bestehen. Und die erfährt in meinen Augen in Verbindung mit der Liebe noch Mal eine viel intensivere und andere Qualität, als sexueller Kontakt und Befriedigung ohne Liebe.

So wie eine Grundhaltung in unserem Leben

Liebe hat also in meinen Augen mindestens zwei Qualitäten, die aber fließend ineinander übergehen. Und die auch sehr stark davon abhängen, in welchem Zusammenhang, welcher Situation, welcher Phase unseres Lebens und unserer Beziehung diese Liebe entsteht und gelebt wird. Sie kann also als grundsätzliche Haltung und Sein im täglichen Umgang mit uns selbst, unserer Arbeit, unseren Mitmenschen im Sinne einer tiefen Verbundenheit, Wertschätzung, Bejahung und Dankbarkeit auftreten; Liebe also als Grundenergie, -qualität unseres Lebens, die uns prinzipiell zu jedem Menschen und jeder Tätigkeit zur Verfügung steht.

Sexualität wird mit Liebe noch erfüllender

Oder sie wird als Liebe in einer Zweierbeziehung in Verbindung mit Sexualität und sexueller Anziehung gelebt. Zunächst als Verliebtheit und später dann mehr die Qualität der Liebe als Grundenergie annehmend, wenn die Zweierbeziehung sich positiv entwickelt, das heißt, dass das Zusammenleben in der Beziehung mit tiefer gegenseitiger Verbundenheit, Respekt, Bejahung, Wertschätzung und Dankbarkeit gelebt wird. Und in diese Qualität der Liebe ist dann eben auch eine entsprechend erfüllende, befriedigende Sexualität zwischen den beiden Partnern der Beziehung eingewoben.

Am Ende ist Liebe doch immer etwas ganz persönliches

Natürlich wird jeder Mensch auf Grund seiner Erfahrungen und Überlegungen sein eigenes persönliches Verständnis von Liebe entwickeln und auch immer weiterentwickeln. Und vermutlich kommen wir dem Phänomen der Liebe in unseren Beschreibungen umso näher, je mehr dieser unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen über Liebe wir zusammentragen und zusammenfügen.

Am Ende unseres Lebens ist es, denke ich, aber viel wichtiger für uns, wie viel unserer Liebe wir in unserem Leben tatsächlich gelebt haben, als wie gut wir sie als Phänomen verstanden haben.