„Bauch und Kopf“

„Bauch und Kopf“

„Bauch und Kopf“

 Gedanken zu einem ewig jungen menschlichen Konflikt   „Bauch sagt zu Kopf ja, doch Kopf sagt zu Bauch nein. Und zwischen den beiden steh' ich. Zwischen den beiden steh' ich.“ Mark Forster und sein Song „Bauch und Kopf“ Fast jeder von uns kennt diesen...
 Gedanken zu einem ewig jungen menschlichen Konflikt

 

„Bauch sagt zu Kopf ja, doch Kopf sagt zu Bauch nein.
Und zwischen den beiden steh‘ ich.
Zwischen den beiden steh‘ ich.“

Mark Forster und sein Song „Bauch und Kopf“

Fast jeder von uns kennt diesen wunderbaren Song von Mark Forster „Bauch und Kopf“ und den Text des Refrains. Diesen Song, in dem Mark Forster den ewig jungen, immer wiederkehrenden Konflikt zwischen zwei ganz starken gegensätzlichen Triebfedern in uns beschreibt.
Diesen beiden Instanzen, die sich so oft scheinbar ganz unversöhnlich gegenüberstehen.
Und immer wieder einen Konflikt in uns entfachen, der uns nicht selten an den Rand der Verzweiflung bringt. Immer dann, wenn wir eine Entscheidung treffen müssen.

Ein ewig junger Konflikt, der uns nie loslässt

Bauch versus Kopf, Bauchentscheidung versus Kopfentscheidung ist ein Thema unseres menschlichen Seins, das nahezu alle Menschen unter diesem „Titel“ gut kennen. Und in ihrem Leben mitunter tagtäglich erleben.
Tatsächlich wissen wir aber mittlerweile aus der Gehirnforschung sehr gut, dass dieser immer wiederkehrende Konflikt zwischen diesen beiden Entscheidungsimpulsen menschlich gesehen leider unvermeidlich ist und zu uns Menschen dazugehört. Und wir wissen auch, dass die Bereiche unseres Körpers, die in diesem Konflikt sowohl den „Kopf“ als auch den „Bauch“ repräsentieren, tatsächlich beide in unserem Kopf, genauer gesagt, in unserem Gehirn verortet sind.

Wo finden unsere Kopfentscheidungen statt?

Für das, was wir „Kopfentscheidung“ nennen, sind Areale und neuronale Netzwerke der 6 äußeren Schichten unserer Großhirnrinde verantwortlich. Wir nennen diesen Bereich des Gehirns, der die Oberfläche unseres Gehirns bildet, auch Isocortex.
Im Vier-Ebenen-Modell von Gerhard Roth (siehe auch mein entsprechender Blogbeitrag) ist dieser Bereich des Gehirns mit der vierten Ebene also mit dem „kognitiv-kommunikativen Ich“ unserer Persönlichkeit identisch. Dies ist der Bereich unseres Bewusstseins.

Worüber wir Menschen uns definieren – unsere kognitiven Fähigkeiten

Die für unser Selbstverständnis, unseren Selbstwert und oft auch für unser Ego als Menschen für viele von uns so extrem wichtigen kognitiven Fähigkeiten finden auf dieser Ebene unserer Persönlichkeit statt. Und zwar im Stirnteil des Isocortex, dem präfrontalen Cortex.
Der präfrontale Cortex ist auch der Sitz unseres Arbeitsgedächtnisses. Dieses ist von der Funktion her vergleichbar mit dem Arbeitsspeicher eines Computers.
Unser Arbeitsgedächtnis brauchen wir, um Informationen, die wir von Außen über die Sinnesorgane aufnehmen mit ausgewählten Inhalten aus dem Langzeitgedächtnis in Verbindung zu bringen. Auf diese Art können wir unser erlerntes Wissen und unsere Erfahrungen aus dem Langzeitgedächtnis in Wechselwirkung mit der aktuellen Realität bringen. Um in diesem Prozess zu analysieren, zu bewerten und dann bewusste Entscheidungen zu treffen.

Vernunft und Gefühlskälte liegen im Gehirn eng beieinander

So können wir Menschen im präfrontalen Cortex Ziele und Pläne für unser Handeln entwickeln, Probleme analysieren und Lösungen finden. Dieser Bereich des Gehirns ist Sitz unserer Vernunft, unseres kritischen Verstandes und unseres analytischen Denkens.
Gleichzeitig ermöglicht uns diese Ebene unserer Persönlichkeit aber auch vollkommen gefühlskalt anderen Menschen Unrecht und Schaden zuzufügen. Und ohne erkennbare emotionale Beteiligung über das Leid und Elend von Menschen zu reden und auch über deren Schicksal zu entscheiden.

Wir sind von Natur aus fähig, Schlechtes zu tun

Dass immer mehr Menschen anderen Menschen und der Natur in zunehmenden Maße Unrecht antun, ist also eine natürliche basale Fähigkeit von unserem menschlichen Gehirn. Und damit auch von uns Menschen selbst. Allerdings sind wir Menschen aber auf der anderen Seite in der Lage, diese Art von menschenverachtendem Verhalten bewusst zu unterlassen. Wenn es unserem Wertesystem widerspricht und unsere Werte stark genug in uns ausgeprägt sind.
Gehirnforscher sagen, dass unser Gehirn von Natur aus in erster Linie sozial ist. Wir sollten diese natürliche Vorabeinstellung unseres Gehirns öfter nutzen! Wir entscheiden über unser Verhalten.

So tun als ob gehört zum Standardrepertoire unseres Gehirns

Das kognitiv-emotionalen Ich also die 4. Ebene unserer Persönlichkeit befähigt uns auch, zu lernen, wie wir uns verhalten müssen, um anderen Menschen zu gefallen, sowie um Ärger und Konflikte zu vermeiden. Dieser äußere Bereich unserer Großhirnrinde macht es möglich, die Unwahrheit über unser tatsächliches Denken, Fühlen und Befinden zu sagen, also „so zu tun“ als ob. Unauthentisches d.h. unechtes Verhalten entsteht somit auf dieser Ebene unserer Persönlichkeit. Und es gehört somit ebenfalls zu unserem Standrepertoire als Menschen.

Am Ende ist unsere Vernunft oft der Verlierer

Das kognitiv-kommunikative Ich als Sitz unserer Vernunft kann als intelligenter Berater der in den anderen drei limbischen Ebenen unserer Persönlichkeit angesiedelten Gefühle und Bedürfnisse verstanden werden.
Dieser analytische, rationale Teil unseres Gehirns, unsere Vernunft also, hat aber weder anatomisch noch funktional einen direkten Einfluss auf die verhaltenssteuernden Gehirnzentren. Und somit haben unsere Vernunft und unsere Einsicht nur einen geringen Einfluss auf unser Verhalten.
Unser Verhalten wird letztendlich also im Wesentlichen durch die 3 darunterliegenden limbischen Ebenen unserer Persönlichkeit bestimmt. Und damit durch unsere Gefühle, Bedürfnisse und unser Temperament.

Unser Reden und Handeln sind nicht zwangsläufig identisch

Wir erleben diese Tatsache an uns selbst und an anderen Menschen häufig in der Form, dass unser Reden und Denken nicht zwangsläufig identisch sind mit unserem Handeln.
Und dass wir uns aus Einsicht und Vernunft zwar bewusst für ein bestimmtes Verhalten entscheiden. Wir uns dann tatsächlich aber in der Realität ganz anders und oft sogar entgegengesetzt verhalten.
Menschen tun also oft etwas anderes als das, was sie vorher gesagt haben.
Wer von uns hat diese Erfahrung noch nicht gemacht und macht sie mitunter tagtäglich aufs Neue.

Können „Bauch“ und „Kopf“ je Freunde werden?

Das ist tatsächlich das Spannungsfeld des immer wieder von uns erlebten Konfliktes zwischen unserem „Kopf“ und unserem „Bauch“, wenn wir entscheiden müssen, wie wir uns verhalten sollen. Und wenn bei dieser Entscheidung unser „Kopf“ also unsere Einsicht und unsere Vernunft etwas anderes zu uns sagen als unser „Bauch“, d.h. unsere Gefühle und Bedürfnisse. Die dann tatsächlich oft sogar genau das Gegenteil von dem wollen, was unsere Vernunft uns rät.

Wo finden unsere „Bauchentscheidungen“ statt?

Der Teil dieses Konfliktes, den wir „Bauch“ nennen, befindet sich wie gesagt nicht im Bauch unseres Körpers, sondern ebenfalls im Gehirn. Und da vorrangig in der mittleren und der unteren limbischen Ebene unseres Gehirns. In diesem Bereich lokalisiert Gerhard Roth in seinem 4-Ebenen-Modell der Persönlichkeit das „unbewusst- emotionale Selbst“ = mittlere limbische Ebene und das „vegetativ-affektive Selbst“ = untere limbische Ebene (siehe auch mein entsprechender Blogbeitrag zum 4-Ebenen Modell von G. Roth).

Wenn unser Verhalten außer Kontrolle gerät

Auf der untersten limbischen Ebene ist u.a. unser Temperament festgelegt. Dieses bestimmt unsere elementaren, menschlichen Verhaltensweisen wie Angriffs- und Verteidigungsverhalten, Flucht, Erstarren, Aggressivität.
Wir alle kennen solche Situationen, in denen wir panische Angst bekommen, weil wir beispielweise einen Stock mit einer Schlange verwechselt haben. Und daraufhin, ohne nachzudenken, panikartig davonlaufen. Erst wenn wir dann in einem zweiten Schritt bewusst erkennen, dass es sich nur um einen Stock handelt und nicht um eine Schlange, wird unsere panische Angst aufgehoben. Und wir können unser Verhalten wieder bewusst steuern.

Was uns Menschen Spaß macht

Auf der mittleren limbischen Ebene unseres Gehirns also im „unbewusst-emotionalen Selbst“ unserer Persönlichkeit werden u.a. unsere grundlegende Emotionalität, unsere Belohnungserwartung sowie unsere generelle Motivation bestimmt. Dieser Bereich des Gehirns ist der Sitz unseres Belohnungs- und Belohnungserwartungssystems. Was uns Menschen Spaß macht, was uns ganz persönlich ein angenehmes Gefühl verschafft, ist hier festgelegt. Unsere Motivation, der Antrieb also für unser Handeln entsteht in diesem Bereich des Gehirns.

Jedes Jahr Silvester wieder „grüßt uns das Murmeltier“

Ein gutes Beispiel für die besondere Beziehung zwischen „Kopf“ und „Bauch“ also für das fehlende Zusammenspiel zwischen unserer Vernunft im präfrontalen Cortex und unseren Bedürfnissen in der mittleren limbischen Ebene sind die immer wiederkehrenden guten Vorsätze, mit denen wir an Silvester ins neue Jahr starten: „abnehmen“, „gesünder leben“, „weniger essen“, „mehr Sport machen“, „mit dem Rauchen aufhören“… Ich könnte diese Aufzählung vermutlich beinahe endlos fortsetzen!
Aber wer von uns hat ein solches Vorhaben dann im neuen Jahr tatsächlich konsequent erfolgreich zu Ende gebracht? Und nicht nach wenigen Wochen oder sogar Tagen schon wieder damit aufgehört? Ich glaube kaum einer von uns.

Warum sich unsere guten Vorsätze oft in Luft auflösen

Der Grund für dieses regelmäßige Scheitern solcher „guten Vorsätze“ liegt nicht darin, dass wir schlechte, unfähige Menschen oder sogar „Versager“ sind. Der Grund dafür, dass wir unsere guten Vorsätze nicht durchhalten, liegt an unserer fehlenden Motivation.
Wir nehmen uns an Silvester etwas richtig Vernünftiges vor, weil es uns in dem Moment ein gutes Gefühl gibt. Das ist dann unsere Motivation. Dieses gute Gefühl und damit unsere Motivation ist aber am nächsten Tag oder spätestens einiger Tage später wieder verflogen. Und dann gibt es für uns keinen wirklich guten Grund, also keine Motivation mehr, die uns antreibt, unsere guten Vorsätze bis zu Ende durchzuhalten.

Unsere Motivation hat viel mit unserem Bauchgefühl zu tun

Diese wirklich gute, dauerhafte Motivation kann tatsächlich nur aus unserem „Bauch“, also den unteren beiden limbischen Ebenen unseres Gehirns kommen. Eine starke Motivation entsteht durch ein starkes Bedürfnis gleich einem Verlangen, dessen Befriedigung eine attraktive Belohnung für uns ist. (siehe hierzu auch meinen 2. Beitrag von „Wie geht Mensch?“ über Motivation demnächst hier).
Unsere Einsicht und unsere Vernunft, unser „Kopf“ also, sind in diesem Zusammenhang nicht ganz wertlos, sie taugen aber überhaupt nicht dafür, uns wirkungsvoll zu motivieren. Uns also über längere Zeit anzutreiben, einen Vorsatz konsequent umzusetzen, ein Ziel erfolgreich zu erreichen.
Veränderungen, die nur auf Einsicht basieren und für die keine wirklich starke Motivation erarbeitet wurde, können somit nicht gelingen. Auch hierfür gibt es zahlreiche Beispiele in unserem Leben.

Wenn „Bauch“ und „Kopf“ am Ende Freunde werden

Wie können wir aber nun diese Erkenntnisse über die Funktionsweise unseres Gehirns und damit unsere Einsichten in die besondere „Bauch – Kopf“ Beziehung für unser Leben nutzen?
Auf den Punkt gebracht gelingt uns dies in meinen Augen nur, wenn wir kontinuierlich an einer „Bauch – Kopf Versöhnung“ arbeiten. Wenn wir uns also darin trainieren, die Impulse, die aus der unteren und mittleren limbischen Ebene, unserem „Bauch“, kommen mit den Erkenntnissen und Einsichten unseres kritischen Verstandes, unserem „Kopf“, in eine konstruktive Kooperation zu bringen. Wenn es uns also gelingt, aus der Rivalität zwischen „Bauch“ und „Kopf“ eine freundschaftliche Zusammenarbeit zu unserem Nutzen zu machen.

Wenn es in uns richtig „brennt“

Jeder von uns, der in seinem Leben bereits richtig herausfordernde Ziele erfolgreich erreicht hat, hat die Erfahrung gemacht, dass dies nur möglich war, weil es in ihm „gebrannt“ hat. Weil da ein starker Wunsch, ein Verlangen war, das uns immer wieder angetrieben hat, wenn es auf unserem Weg auch Mal schwierig wurde. Oder wenn wir nicht mehr weiterwussten. Und wir in diesen herausfordernden Situationen dann trotzdem nicht aufgegeben haben, weil unser Ziel uns so wichtig war und weil wir fest entschlossen waren, es zu erreichen.

Wie eine Freundschaft zwischen „Bauch“ und „Kopf“ aussehen kann

Dieses Feuer, dass wir für große Ziel brauchen, entsteht nicht in unserem „Kopf“ in unserer Einsicht und unserer Vernunft. Dieses Feuer brennt in unserem „Bauch“, in dem Bereich unseres Gehirns also, der für unsere Gefühle und Bedürfnisse verantwortlich ist.
In einer konstruktiven Kooperation zwischen „Bauch“ und „Kopf“ fängt das Feuer, unsere Motivation also, in unserem Bauch an zu brennen. Und unser „Kopf“ tritt dann in Aktion, wenn es darum geht das Feuer in uns, unser „Bauchgefühl“ in Worte zu fassen, unsere Ziele also festzulegen. Und um dann mit Hilfe von Informationsbeschaffung, Analysen, Bewertungen den wirkungsvollsten Weg zur Zielerreichung zu finden.

Ein schlechte und eine gute Nachricht zum Abschluss

Die schlechte Nachricht für einige von uns ist also: unser „Kopf“, unsere Vernunft und unsere kognitiven Fähigkeiten sind nicht das Wichtigste, das allein seligmachende in unserem Leben. Wir müssen unserem „Bauch“, unseren Gefühlen und Bedürfnissen als Orientierungshilfe und Motivator also wieder deutlich mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung zukommen lassen. Und wir müssen uns dringend darin trainieren, diesen Bereich unserer Persönlichkeit, in der unser „Bauch“ verortet ist, besser kennen zu lernen und für unser lösungs- und zielorientiertes Handeln zu nutzen.

Die gute Nachricht ist: Dies ist tatsächlich möglich.